„Dieser scheiß Kommunismus hat unser Land kaputt gemacht… „, so und ähnlich erklären uns die Venezolaner die traurige Geschichte von ihrem Land. Und es gibt tatsächlich nichts auf was man sich bei einer Reise durch Venezuela freuen könnte. Das Land ist seit Jahrzehnten isoliert, die Grenzen sind erst seit Januar 2023 wieder geöffnet und schon in Surinam, Guyana und Brasilien haben wir die vielen Flüchtlinge gesehen. Wer Lust hat, kann die Reisehinweise des Auswärtigen Amt lesen und weiß dann ungefähr, was uns durch den Kopf geht hier her zu fahren, und wie es uns damit geht (Auswärtiges Amt). Wir erreichen die Grenze Brasilien/Venezuela in der Nacht, die Straße dorthin ist das Grauen und in dem Dörfchen ist nichts mehr wie es war, seitdem dort tausende Flüchtlinge „leben“. Nachts ist es besonders eindrücklich, wenn man durch Menschenmassen rollt auf der Suche nach einem Schlaf – Plätzchen. Wir fahren zurück und übernachten bei der Feuerwehr vor dem Dorf, schlafen schlecht, weil wir nicht wissen, wie wir die Grenzprozedur gemeinsam mit den Flüchtlingen gemeistert bekommen.
Um 6:00 Uhr geht es los. Was wir wissen ist: die Versorgungslage in Venezuela ist prekär, wir tanken nochmal voll, Obelix platzt aus allen Nähten mit Essen, Getränken und Sprit. Die Ausreise aus Brasilien kürzen wir ab und entscheiden uns den Zoll zu umgehen, das Gelände ist inzwischen Teil eins Flüchtlingslagers. Zurück nach Brasilen können wir mit Obelix also nicht mehr ohne weiteres.
Auf venezolanischer Seite stoßen wir auf vollkommene Ahnungslosigkeit: ein Touristen-Visum und Zollpapiere kennt man hier nicht mehr, die Beamten sind freundlich, aber unsicher. Alles wird zur Chefsache und unsere Papiere sind für Stunden in den Tiefen der Amtsstuben verschwunden, aber immerhin bekommen wir ein eigenes Büro um zu warten. Nach 4 Stunden und noch vor der Mittagspause kommt Bewegung in die Angelegenheit und man heißt uns willkommen.
Der Weg durch Venezuela nach Kolumbien steht nur unter einem Motto: schnell wieder raus. Wir verteilen unsere Kohle im Auto, verstecken unsere Kreditkarten, Dunja legt ihr Geschmeide ab und wir beide unsere Eheringe.
Bezahlt wird auch von den Einheimischen in US-Dollar, die Landeswährung ist nichts wert. Mobilfunk, Bankautomaten, Tankstellen: gibt es nicht. Natürlich ist das Tanken unsere größte Sorge, wir müssen knapp 2.500 km durchs Land und wissen nicht, wo es Benzin gibt. Es gibt natürlich einen für uns unzugänglichen Schwarzmarkt, und an den Hauptstraßen versorgen sich die Einheimischen mit Benzin aus 2-Liter Colaflaschen, für uns ist das aber alles ein großer Mist: mit 2-Liter Fläschchen bekommen wir Obelix nicht gestillt. Und 5 US-Dollar für die Pulle sind auch kein Schnäppchen. Solange der Tank noch voll ist, leben wir von der Hoffnung, dass es im Norden besser wird mit der Versorgung.
Was speziell mein Nervenkostüm in Anspruch nimmt sind die Checkpoints, die in kürzestem Abstand folgen. Schwer bewaffnete Einheiten aller möglicher Vertreter der Staatsgewalt: Militär, Polizei, Nationalgarde, die Ortspolizei kleinster Siedlungen kontrollieren alles und jeden, völlig anlass- und grundlos. Genau davor wurden wir immer wieder gewarnt: korrupte Beamte, die uns ausnehmen. Nach hunderten Kontrollen können wir sagen: die Herren waren nicht immer freundlich und haben sich viel Mühe gegeben uns zu überzeugen, dass irgendein Dokument fehlt und schließlich kurz vor der Grenze behauptet, dass eine Ausreise nicht möglich wäre, da wir die Mindest-Aufenthaltsdauer (!) noch nicht erreicht hätten und deshalb nicht weiterdürften. Am Ende haben wir mit dem Zauber-Sätzchen „No intiendo“ (zu Deutsch: nix kapito) alle überzeugt, und weil auch in Venezuela der Klügere nachgibt, durften wir passieren.
Unsere Gastgeber in Venezuela haben sich auch ins Zeug gelegt und alles getan uns nicht nur einen sicheren Platz, sondern auch Benzin zu besorgen. Wir bestellen dort und man bringt uns den Sprit in Fässern und Kanistern. Das Geschlabber beim Umfüllen tränkt Schuhe, T-Shirts und Hände und so ist das Benzin-Parfüm immer präsent. An der Karibik-Küste gibt es schließlich wieder Tankstellen, jene mit oft kilometerlangen Warteschlangen und die „Internationalen“ für die reichen Venezolaner. Bei den einen kosten 50 l Benzin 1 (einen) Dollar, bei den anderen 1 Liter 50 Cent, da stellen wir uns regelmäßig an und kommen meist nach 1 Stunde Wartezeit an die Säule.
Nach sechs Tagen sind wir durch! Mit den Nerven und durch das Land. Es ist Sonntag und der kolumbianische Zoll hat geschlossen. Wir fahren in die nächste Stadt, nehmen uns ein Zimmer und müssen am nächsten Tag nochmal zur Grenze. Es gibt wieder Bier, Benzin und Mobilfunk. Und zu unserer Begrüßung nachts ein paar Gewehrsalven aus großkalibrigen Waffen irgendwo in der Stadt: Hello Columbia!
Ihr wolltet Abenteuer. Nun hattet Ihr es. Dennoch, wie bereits erwähnt, Respekt vor eurem konsequenten Reisen. Denken oft an Euch. Ganz liebe Grüße WuM
Wir sind einfach sprachlos. Wir haben fröhliche Namen und Melodien im Ohr:“ ole, ole, kauft Ananas…“ und nun Euer schauderhafter Bericht. Was für schreckliche Zustände. Schlimmer noch: Ihr mittendrin. Gut, dass wir das vorher nicht wußten. Nun die große Hoffnung, dass Ihr Schöneres erlebt, dass der Osterhase Obelix mit leicht erhältlichem Benzin und Euch mit freundlichen Ordnungshütern verwöhnt und mit allen Segnungen eines ziviliesierten???Staatswesens, Frohe Ostern wünschen
Heide und Peter