sind wir nun unterwegs, in Worten: s-e-c-h-s-h-u-n-d-e-r-t-f-ü-n-f-u-n-d-v-i-e-r-z-i-g! Wir sind 145 Tage weiter als bei unserer letzten Zwischenbilanz (Link). 645 Tage sind ca. 35 Jahresurlaube in unserer bisherigen Urlaubsstatistik und es ist für uns immer noch unglaublich, dass wir es sind über die wir das schreiben. Es ist also Zeit für ein neues Summary. Und da unsere Tage genauso schnell vergehen wie die Tage derer die das hier lesen, bleiben wir beim bisherigen Format, hier kommt unsere neue Zwischenbilanz:
(fett sind in den Kategorien jeweils die Ergänzungen zum letzten Mal)
Gesichtetes Wildlife:
Ameisenbär, Nasenbär, Wasserschweine (ganz viele auch direkt an der Straße! Dann allerdings tot.), Wasserhirsche, Jaguare, normale graue Kaimane und schwarze Kaimane, eine Anakonda (im Jaguar-Maul), Wüstenfüchse, viele tote und ein lebendes Gürteltier, Büffel, Strauße die in Südamerika Nandu heißen, Lamas, Guanacus,
Alpacas und Vikunias, Fischotter, Wale, Magellan- und Königspinguine, normale Delphine und die hübschen Commerson-Delphine, Seelöwen und Seeelefanten, fliegende Fische und fliegende Vögel wie: Aras, tausende Loros, Papageien, Eulen, Kolibris, Wellensittiche, Flamingos, Tukans und Kormorane. Ganz viele Schlangen in Suriname und Guyana, Kröten so groß wie Rauhaardackel und Moskitos/Stechmücken und Bremsen mit Beiß- und Stechwerkzeugen so groß wie das in unserem Fußpflegebesteck.
Affen aller Art, Faultiere, die Vogelspinne, Iguanas, den großen Ameisenbär, Skorpione, und Pferde (zwischen den Knien).
Auf Galapagos konnten wir natürlich nochmal richtig nachlegen: die riesigen Landschildkröten, Marine-Iguanas, Seelöwen, Adler-Rochen, Stachelrochen, Haie, Papageienfische, Kaiserfische, Green Sea Turtels, Landiguanas, Albatrosse, Blaufußtölpel, Fregattvögel, die knallroten Krebse, etc. – ein Paradies.
Mulmige Momente:
Ja. Endlich. Die Flucht aus Peru war nicht schön. Nachts mit Stangen und Knüppeln bedroht zu werden ist schlimmer als ein Spaziergang nachts im Park. Und die vielen Gewehrläufe in Venezuela, in die wir an unzähligen Checkpoints schauen durften waren unangenehm.
Heimweh-Momente:
Telefonieren mit Daheim!
Die Überschrift deutet es an. Sie wurden mehr die Heimwehmomente. Oder waren es die Momente in denen wir überlegt haben, dass Abenteuerreisen nicht „Alltag“ werden sollten? Also zum allseits beklagten „Hamsterrad“ werden? Wie auch immer: die Brüder „Fernweh“ und „Heimweh“ sitzen uns schon immer im Nacken. Und beide haben bekommen was sie wollten.
Pannen:
Vier: Einmal hat sich die Batteriehalterung los vibriert. Und zweimal musste der Zusatztank raus, weil er einmal gerissen ist und einmal die Befestigung am Rahmen gebrochen ist. Und dann war da noch das Federpaket, das neu vorgespannt werden musste, weil es durchgeschlagen hat.
Und nochmal Fahrwerk: die High-Performance Stoßdämpfer auf der Hinterachse haben nicht gehalten was sie verspochen haben. Nicht mal die weltweite Verfügbarkeit von Ersatzteilen für eine Revision.
Alles in allem eine gute Bilanz finden wir. Alles wo Toyota draufsteht bleibt ohne Tadel, der Offroad-Firlefanz aus dem Zubehör taugt nichts.
Was wir vermissen:
Familie, Freunde, Charly, Spezi und Brot bei dem man beim Essen an Brot denkt, Kaffeepulver ohne Zucker.
Mutsch!!
Demnächst vermutlich wieder andere Dinge, eben immer das, was man gerade nicht haben kann.
Best Parts:
Die Schüttelpumpe und der Milchschäumer für Rainers 4×4-Kaffee am Morgen. Unsere Lammfelle fürs Bett und für unsere Stühle waren in Patagonien so beliebt bei uns und anderen, dass wir inzwischen drei haben – warum auch immer.
Ein Beach-Chair von Helinox als dritter Sitz im Auto und unsere Isomatte als drittes Bett für Gäste.
Unnützester Gegenstand:
Dunja (Achtung!): meine Handtaschen!
Rainer: Dunjas bisherige Handtaschen und die, die in El Bolson und in Kolumbien dazukamen!
Die Salatschleuder – wurde nach 187 Tagen endlich entsorgt. Dunja hat von den drei identischen Paaren Birkenstock ein Paar verschenkt und wir haben unseren Grill verschenkt. Den dafür angeschafften Ersatz-Grill haben wir bisher genau einmal benutzt. Neu ist auch ein Wandteppich den wir aus Scham gekauft haben, weil die Verkäuferinnen so überzeugend auf unsere Tränendrüsen gedrückt haben. Die Vorhersage lautet: er wird auch als Souvenir nichts taugen, weil Wandteppiche auch in einem künftigen Zuhause nicht hängen werden, er wäre dann bei Interesse abzugeben.
Zum links liegenlassen:
Blumenau in Brasilien und die Öko-Touri-Boomtown El Chaiten in Chile. Venezuela im Moment und wahrscheinlich noch sehr lange.
Da wollen wir nochmal hin:
in Bolivien: San Ignacio, Sucre und die Lagunen-Route würden uns nochmal reizen. Das haben wir erledigt und es war auch beim zweiten Mal ein Traum. In Suriname und Guyana gibt es noch einiges zu entdecken finden wir, das große Abenteuer an wirklich abgelegene und unbekannte Orte zu kommen ist hier noch möglich.
Beste Apps:
„Skype to Phone“ um mit Zuhause zu telefonieren und „iOverlander“. „InShot“ zum Filme schneiden ist genial und natürlich „Royal Match“, wenn man einfach mal stundenlang nicht mehr miteinander reden will. Dunja hat inzwischen Level 6.761 erreicht, bei 6.801 ist Schluss – Gott sei Dank!
Bestes Bier:
„Real“, der Name ist Programm: wenn man ganz viel davon trinkt, glaubt man was man sieht. „Banks“ in Guyana: 250 ml Hopfensaft aus dem Glasfläschchen – darf keinesfalls wärmer als 3° eingenommen werden, sonst schmeckt es nach Oettinger.
Bestes Essen:
Francesco unser Schiffskoch auf der Yacht die uns von Hamburg nach Montevideo gebracht hat bleibt knapp die Nummer eins. Wir holen auf mit unserer Outdoor-Cuisine. Und wie! Dunja’s Brot aus dem „Omnia“, ihre „Curry’s“ und meine „Bollo“ sind immer wieder zum reinlegen. Wir haben aber auch das eine oder andere „Almuerzo“ am Straßenrand genossen. Einfache Hausmannskost von einfachen Ständen aus Muttis Kochtopf frisch auf den Styropor-Teller…
Bester Kumpel:
Bleibt Obelix! Bei den Schlägen die er täglich einstecken muss spricht man in Boxerkreisen glaube ich von Nehmer-Qualitäten. Die hat er! Ich habe ihm eine neue und größere Fettpresse spendiert und das Intervall in dem er sein Fett abbekommt erhöht. Ich glaube er mag das.
Glücks-Momente:
In den ersten 100 Tagen waren es ca. 300! Einer jeden Morgen beim Aufstehen, Einer abends beim Einschlafen und der dazwischen. Das lässt sich natürlich nicht durchhalten. Es gab diesen unerträglichen Wind im Süden, der uns genervt hat, es gab Schotter-Strecken durch Patagonien, die uns von morgens bis abends an den Rand des Wahnsinns getrieben haben, und es gibt auch beim Reisen so etwas wie Routine die sich einstellt und manches Selbstverständlich werden lässt. Ich komme also maximal noch auf 534 Glücksmomente, Dunja auf etwas weniger, weil sie auch noch mich ertragen muss. Ab Tag 245, also nach der Pandemie, war vieles anders und hat an Leichtigkeit verloren, die Folgen sind unübersehbar. Das merken wir auch und zählen jetzt anders: wir sind einfach glücklich, dass wir machen was wir tun, es ist ein Privileg.
Begegnungen:
Eigentlich müssten wir mal einen eigenen Blog zum Thema „Overlander“ schreiben, denen wir begegnet sind. Es kristallisieren sich ca. 3 Typen dieser speziellen Spezies heraus und eben wir :-).
Der Kontinent ist zwar riesig, aber gerade im Flaschenhals Patagonien trifft man sie alle. Den Robinson Crusoe, der glaubt gerade Amerika zu entdecken, genauso wie den Individualisten, der glaubt alleine unterwegs zu sein und sich ständig ärgert, dass andere auch da sind. Und natürlich die, die auf der Flucht sind, weil wir kurz vor dem Weltuntergang stehen und man noch schnell die Welt entdecken muss. Allen gemein ist, dass sie schon alles wissen und dieses Wissen gerne (ver)teilen. Unser Fehler ist, dass wir gerne von anderen Neues erfahren wollen, weil wir unsere eigene Geschichte ja schon kennen, und so können wir stundenlang den Geschichten lauschen – es ist wie Fernsehen ohne Aus-Schalter, wobei man beim Fernsehen wenigstens ab und an nach seiner Meinung gefragt wird, wenn man z.B. über GNTM abstimmt.
Wir hätten das damals nicht schreiben sollen. Scheinbar geht man uns jetzt aus dem Weg oder die Overlander sind umgezogen. Nach Bolivien waren wir für Wochen allein unterwegs und haben niemanden mehr getroffen. Wir mussten uns seeeeehr lange nur mit uns unterhalten.
Aber: keine Regel ohne Ausnahme, und so haben wir haben in den 645 Tagen auch Menschen kennengelernt, die uns den Abschied schwer gemacht haben. Unsere Truppe von der Grande San Paulo gehört genauso dazu, wie andere Reisende mit denen wir tage- oder wochenlang unterwegs waren, mit denen wir die schönsten Plätze und Rezepte geteilt haben, mit denen wir das geteilt haben was das eigentliche Invest ins Reisen ausmacht: Zeit und die Leidenschaft Neues kennen zu lernen!
Und dann sind da noch die Unzähligen Begegnungen mit den Menschen die hier Zuhause sind, die uns den Weg erklären und wissen wollen was wir hier eigentlich machen. Die uns helfen, ihre Gastfreundschaft anbieten oder einfach etwas zu trinken, wenn wir in ihrer Straße parken. Die immer Zeit haben für einen Smalltalk und uns von Herzen eine gute Reise wünschen und uns erklären wie stolz wir darauf sein können aus Alemania zu sein….
Dem ist auch nach 645 Tagen nichts hinzuzufügen!
Beste Plätze:
gibt es nach unserer Meinung nicht. Wir sind in Parguay schon eine Woche im Freibad gestanden, weil es zu heiß war irgendetwas anderes zu tun. Wir standen am Strand, an Seen, Flüssen und auf Bergen mit einer Aussicht „vom anderen Stern“. Wir haben auf 4.500 m üNN geschlafen oder in Gärten von Menschen, die glauben müssen, wir wären von einem anderen Stern. Es gibt also keine Hitlist, keine Top 10. Manchmal ist es die Einsamkeit die einem Gänsehaut bereitet, manchmal die Gesellschaft in der wir sind und die einen Platz zu etwas Besonderem macht. Wir haben noch nie schlecht geschlafen, ganz unten auf einer Liste wäre aber unsere Nacht an einer Tankstelle zwischen den Truckern, es gab einfach keine Alternative an diesem Tag.
Tag 200 bis 645: wie unbedarft wir doch in den ersten 200 Tagen waren. Jetzt wissen wir: Tankstellen sind ein Paradies, wenn es auf tausende Kilometer gar nichts anderes gibt.
Kohle:
Bis Tag 245: Wir schreiben immer noch jeden Cent auf, den wir ausgeben und sind immer noch nicht ganz im Budget. Wir konnten zwar die Spritkosten runterfahren, weil wir etwas langsamer unterwegs sind, aber dafür öfter in der Werkstatt waren. Obelix bleibt an Nummer 1 unserer Reisekosten. Der Dezember und Januar waren teuer, weil sich die etwas touristischeren Ziele und die Hauptsaison bemerkbar machen. Was uns seit kurzem entgegen kommt ist der fast 30 % bessere Wechselkurs den wir per Geldtransfer über Western Union erzielen bei gleichzeitigem Entfall der Bankgebühren für die hiesigen Geldautomaten. Das sollte Wirkung zeigen.
Aber wem sagen wir das, es steht ja seit 100 Jahren in der Zeitung: alles wird immer noch teurer. Und natürlich ist auch das Leben in den Ländern Südamerikas teurer geworden, darunter leiden die Menschen hier am meisten und wir mit. Andererseits wird hier weniger darüber gejammert und deshalb wollen auch wir uns nicht beschweren. Wir reißen nun monatlich unser Budget, lassen es aber auch zwischendurch richtig krachen. Verteilt über die 645 Tage passt es jedoch noch knapp und aus alter Erfahrung wissen wir, dass manchmal die Budgets einfach nicht stimmen.
Neue Kategorie: Reisen mit Freunden
Wir haben es uns immer wieder gewünscht, manchmal hat es fast, einmal hat es tatsächlich geklappt: Besuch auf Reisen! Vier Wochen zu dritt zu reisen war auch ein Highlight in 645 Tagen. Man(n) muss sich wieder benehmen, Frau kann es richtig krachen lassen. Wir sehen die Dinge nochmal durch die Augen eines Dritten, vieles was für uns zur Routine geworden ist, wird wieder sichtbar: das Chaos in den Städten, die Armut am Straßenrand, die Schönheit der Natur, das Leben auf Reisen. Wir werden gebrieft für das was uns jetzt daheim erwartet. Danke fürs Kommen Atena!
Wie geht es weiter?
Wir sind aufgeregt. Und wir freuen uns auf unsere alte und neue Heimat. Der Obelix ist verpackt und steht seit gestern im Hafen von Cartagena. Wir warten noch bis der Dampfer ablegt und fliegen am 27.09.2023 nach Hause. In diesem Sinne: auf Wiedersehen, wir freuen uns auf Euch!!
So, das war viel zu lesen. Natürlich sind wir auch noch ein bisschen gereist in den letzten Wochen. Unsere Tage waren aber auch mit vielen Orga-Themen gespickt: Flüge buchen, Versicherungsthemen, Containerbuddy suchen und 265 E-Mails zum Thema Verschiffung und Zoll.
Aufregend waren die zwei Tage im Hafen von Cartagena. Da nur die Fahrzeugbesitzer den Hafen betreten dürfen, muss ich alleine ran. Mit langer Bekleidung, Schutzweste und Helm bei 40 Grad ein besonderes Vergnügen. Und: man kann Glück haben und kommt um eine eingehende Zollinspektion herum. Oder man hat weniger Glück und darf auspacken, so wie ich. Auspacken heißt: das Auto muss leer sein. Zum ersten Mal seit 7 Jahren kommt alles raus aus dem Obelix. Alles! Was ich da alles gefunden habe! Vor allem: was wir alles nie gebraucht haben!
Wie auch immer: als der Container geschlossen war ich nassgeschwitzt und traurig. Wie hat es Flavia so schön gesagt: „Wenn eine Tür zugeht, geht die nächste auf!“. So ist es!
…schön war’s! Euer Blog hat mir viel gegeben.Vielen Dank und ich freue mich auf ein Wiedersehen im November.
Ihr brecht aber nicht ab oder seid zu Ende? Nur ne Pause, oder? Wenn Ihr in München seid, einfach Bescheid geben.
Danke für Eure wundervollen Berichte, danke, dass Ihr uns mitgenommen habt auf Eure Reise, dass wir mit Euch tolle Abenteuer erleben durften, mit Euch fiebern und freuen und ängstigen. Habe heute Tränen in den Augen, weil es nun Abschied zu nehmen gilt, von Obelix, von von Südamerika, vom grenzenlosen Reisen und von Euren ehrlichen Berichten.
Habe viel Wehmut aber gleichzeitig viel Vorfreude auf Eure Gegenwart hier. Genießt die letzten Tage in Cartagena und seid herzlich zu Hause willkommen.Keine Ameisenbären mehr aber fleißige Ameisen und besonders fleißige Maulwürfe erwarten Euch. Und wir auch!
Hallo ihr beiden,
Ja, aller Abschied ist schwer. Wir wünschen euch noch schöne restliche Tage in Kolumbien. Tankt Sonne soviel ihr könnt. Hier wird es schon langsam herbstlicher.
Wir freuen uns auf ein Wiedersehen in Deutschland. Fühlt euch herzlich gedrückt, Tanja