Am Amazonas
Am Amazonas

Am Amazonas

Wir sind angekommen: am wasserreichsten Strom der Erde! Und vielleicht auch der längste. Bis heute streiten sich die Vermesser der Erde darüber, es könnte auch der Nil sein, wir sind für den Amazonas. Indiana Jones, Tim und Struppi, Fizgeraldo und natürlich mein Vorbild Rüdiger Nehberg, der sich hier die Grundlagen seines Bestsellers „Überleben ums Verrecken“ erarbeitet hat, waren auch schon da. Und ja: Youtuber Fritz Meineke natürlich auch. Sie alle haben den Mythos dieses Flusses – bei mir – geprägt, das kann der Fritz mir nun auch nicht mehr nehmen. Bevor wir Belém als Absprung über den Amazonas erreichen, verbringen wir ein paar Tage rund um den „Parque National dos Lençóis Marangenses“ und fahren in und um die größte Wüste Brasiliens. Die Besonderheit: im den Dünentälern aus weißem Sand befinden sich türkisfarbene Süßwasser-Lagunen die in Kombination eine skurrile Landschaft bilden. Das Wasser ist kristallklar und hat Badewannen-Temperatur. Ein Film:


Für uns geht es weiter nach São Luis und nach einer Überfahrt über die Baja de São Marcos landen wir in Alcantara. Beide Städte verbindet eine gemeinsame Historie als frühere Handelsstädte in deren Mittelpunkt vor allem der Sklavenhandel stand.

Schon vor Belém versuchen wir an Informationen zu kommen, wie wir die Überfahrt über das Amazonas-Delta organisiert bekommen. Wir haben ja seit längerem das Problem, dass die einzig verlässliche Informationsquelle, die App iOverlander, in dieser Region Südamerikas im Pre-Pandemie Zeitraum stehen geblieben ist. Alle Infos sind mindestens drei Jahre alt, vieles davon gibt es einfach nicht mehr und viele Reisende eben auch nicht mehr, die letzten haben wir an Weihnachten in LaPaz getroffen. Übergangsweise hat die Traveller-Szene sich in WhatsApp-Gruppen organisiert um Informationen auszutauschen. Wir fragen also auch dort nach aktuellen Infos zur Verschiffung von Belém nach Macapa, die Resonanz ist riesig, nur leider nicht auf unsere Frage. Wir bekommen Tipps zu anderen Destinationen, den schlauen Hinweis doch in iOverlander nachzuschauen, wir bekommen eine Fähre genannt die Motorräder verschifft und von einem erfahrenen Overlander und Verschiffungsexperten: „go to port“! Das Problem: Belém hat keinen Port, sondern 50 Ports. Das gesamte Delta mit unzähligen Inseln und natürlich die andere Seite des Flusses sind mit hunderten Schiffslinien vernetzt, die alle privat organisiert sind und in irgendwelchen Häfen an- und abfahren, die als solche gar nicht erkennbar sind. Und Belém ist richtig groß! Wir starten also auf gut Glück die Suche an einem Hafen und haben parallel einen Agenten ausfindig gemacht. Die erste Info lautet: das Auto muss auf ein Frachtschiff und wir auf einen Passagierdampfer oder den Flieger. Ein No-Go für uns: Obelix hier irgendwo mit gestecktem Zündschlüssel abzustellen, das werden wir nicht machen. Es folgen Absagen, weil: Auto zu hoch, Auto zu lang, Abfahrt erst in zwei Wochen etc. Ein zweiter Agent hat schließlich ein Angebot für einen Transport in vier Tagen, er hat alle Infos über Länge, Breite, Höhe, der Preis passt auch, also treffen wir uns am nächsten Tag um zu buchen. Wir treffen uns an einem der Anleger und es stellt sich heraus, dass das Auto doch zu hoch ist. Was der genaue Unterschied zwischen einer Massangabe per E-Mail („Höhe = 250 cm“) und der Inaugenscheinnahme („Auto ist zu hoch“) des Lademeisters ist, haben wir nicht erfahren, weil wir den belém’schen Dialekt nicht verstehen. Egal: wir werden weitervermittelt bzw. -verkauft an den nächsten Hafen und es ist klar was passiert: jetzt passt das Auto, aber der Preis nicht mehr. Wir buchen.

Die ersten beiden Tage in Belém sind nun vorbei, in weiteren zwei geht es über das Amazonasdelta. In 36 Stunden müssen unzählige Inseln umschifft, und zahllose Seiten- und der Hauptstrom überquert werden. Als sehr zentralen Campingplatz in Belém wählen wir was? Eine Tankstelle. Diesmal eine richtige: „Posto Para VIP“: alleine die 20 LKW-Zapfsäulen, ein gigantisch großer LKW-Parkplatz, Shops, Restaurants und eine eigene Trucker-Kirche sind für Campinggäste wir uns wie geschaffen. Zwischen zwei Road-Trains quartieren wir uns für eine Woche ein, haben den ganzen Tag Schatten und nachts brummen uns die Dieselmotoren in den Schlaf. Tipp für unsere Follower: der Eiscafé „Frappé Gourmet“ im Tankstellen-Restaurant ist der Knaller und ersetzt eine volle Mahlzeit.

Und dann wird eingeschifft. Wir finden den richtigen Anleger, das Schiff liegt schon dort und wir als Passagiere checken zunächst ein. Obelix wird seitlich geparkt, das Aufladen übernimmt die Crew. Gebucht haben wir „Hängematte“, „Camping an Bord“ gab es nicht. Die Diskussion darüber, dass wir gerne im Auto schlafen möchten wird mehrfach hinterfragt, ignoriert oder abgelehnt. Als wir dann beobachten, wie die paar Autos die mitgenommen werden über den windigen Anleger und dann über noch windigere Holzbretter seitlich ins Schiff manövriert werden, ist das Thema „schlafen im Obelix“ ohnehin Geschichte: das wird nicht funktionieren oder eine Katastrophe. Ich interveniere, verweise auf das Gewicht auf der Hinterachse, meine eigenen Berechnungen zur Dicke des Holzbretts aus alten Statikvorlesungen, überlege, wie man so etwas in einem Schadensbericht an die Versicherung glaubhaft formuliert, und was ich vielleicht noch aus dem Auto nehmen sollte, bevor es zwischen Schiff und Anleger im Amazonas versinkt.

Wieder stellt sich die „Sinn“-Frage: Warum machen wir das überhaupt? In diesem Fall: wir wollen nach French-Guyana. Auf der Südseite des Amazonas zwischen Belém an der Mündung in den Atlantik und Manaus tief im Landesinneren gibt es auf der anderen Amazonas-Seite nur zwei Straßen, die tausende Kilometer auseinander liegen. Der Amazonas besitzt auf seiner gesamten Länge nicht eine Brücke. Es ist also alternativlos.

Unser Pessimismus wird mit Enttäuschung belohnt: die Brettchen halten und Obelix bekommt einen VIP-Platz: der Rest der Autos wird so platziert, dass wir eine kleine Frühstücksterrasse hinter dem Auto haben, die Crew ist einfach Klasse. Es wird schnell dunkel nach der Abfahrt in Belém, es schüttet aus Eimern und so sitzen wir bald im Auto und schlafen das erste Mal „auf“ dem Amazonas. Verrückt.

Morgens kochen wir im Auto Kaffee, und schauen in die Wildnis. Immer wieder sehen wir kleine Dörfer und Hütten, unser Schiff wird jeweils freudig erwartet und die Kinder paddeln zur Bugwelle und surfen zurück zum Ufer – dachten wir. Bis die ersten Tüten von Bord fliegen: geschnürte Päckchen, Chipstüten, Cola-Flaschen. Es scheint Tradition zu sein, den Inselbewohnern im Vorbeifahren Geschenke zu machen. Mir fallen unzählige Sachen ein, die ich über Bord werfen könnte, aber was wollen die Leute mit Schuhen und Wandteppichen?

Die Strecke bis zur Grenze nach Frankreich verläuft unspektakulär, bis auf die 100 km die durch dichten Urwald führen und bisher nicht asphaltiert wurden: eine wilde Schlammschlacht, alte Holzbrücken und knietiefe Schlaglöcher kosten uns alleine 5 Stunden. Und dann sind wir in: Frankreich! Während das auschecken aus Brasilien wieder die gewohnte Papier- und Stempelzeremonie bedeutet, begrüßt man uns in Europa mit Handschlag, Schulterklopfen und fragt uns eher verlegen, ob wir denn unsere Pässe dabeihaben. Warum auch immer: ein kleiner Gänsehautmoment ganz weit weg von zuhause in Europa anzukommen.

4 Kommentare

  1. Na das sind genau die Abenteuer, die ich hören mag. Toll! Da werdet Ihr eure Enkelkinder mal aufregendes zu erzählen haben. Erst einmal viel Spaß im Frankenreich, jenseits des Atlantiks und liebe Grüße aus den beschaulichen Bremen.

  2. Matthias

    Ach Ihr Lieben,

    zuerst mal vielen Dank dafür, dass die Farbwahl (hellgrau auf orange) der Kommentarfunktion mich wieder einmal daran erinnert hat, dass ich Brillenträger bin. Also flugs die sündhaft teuren Sehhilfen aufgesetzt. Nur um dann festzustellen, dass ich jetzt messerscharf erkennen kann, dass ich nichts erkennen kann. Aber warum sollte ich es leichter haben als Ihr, Ihr habt es ja auch nicht immer schön.

    Auch ich habe wie so oft herzhaft gelacht: Die versunkene Hinterachse (Schuhe und Wandteppiche?). Go to Port (wahrscheinlich noch nie in Belem gewesen?). 250cm via Mail (noch nie einen Obelix gesehen?). Der LKW Parkplatz (noch nie einen Obelix gesehen?). Die Kinder in der Bugwelle – garantiert noch nie einen Obelix gesehen!

    Und ich kann gut verstehen, dass Ihr nicht immer nur eitel Sonnenschein erlebt, auch im schönsten Sonnenschein! Aber wie Loddar Matthäus sagt: Man soll den Sand nicht in den Kopf stecken. Oder wie ich sagen würde: Dess machedd Ihr scho!

    Außerdem: ohne die ganzen Ausrutscher (und der gelegentlichen Rückkehr nach Europa?) was gäbe es sonst zu erzählen?

    Hier schlage ich mich mit ganz anderen Problemen herum: Mein Reserve Heet lädt nicht mehr richtig. Ich muss also manchmal 3 Minuten warten, bis ich rauchen kann. Ich möchte Porsche fahren. Muss also nach Starnberg zu Zulassungsstelle für neue Kennzeichen (plus 400-800 frisch ergraute Haare). Sammy bringt wieder Mäuse (Frühling kehrt ein). Muss also morgens Leber, Niere und Galle der possierlichen Nager aus dem sandfarbenen Teppichboden pulen.

    Freue mich auf Euren nächsten Blogeintrag und lege mir jetzt 2 Kamillenbeutel auf die Augen um gegebenenfalls morgen wieder sehen zu können, und freue mich auf Euren Besuch im richtigen Europa,

    Matthias

    PS: Charly geht es auch gut!

    PPS:
    Cool, wenn man auf Absenden drückt, wird die Schrift grau auf schwarz!

  3. Lieber Matthias,
    Danke für dein Feedback! Ich versuche mal das Farb-Schema altersgerechter zu gestalten. Das kann aber dauern bis wir mal wieder Urlaub haben. Ich wusste nicht, dass unsere Leser bereits Farb-Screens nutzen, das jetzige Farbschema ist für Monocrom-Screens optimiert.
    Viel Erfolg auf der Zulassungsstelle in Starnberg. Gerade heute am Aschermittwoch habe ich vom bayerischen Staatsoberhäuptling erfahren, dass Bayern eigentlich ganz vorne mitspielt, wenn es um Digitalisierung der Verwaltung geht. Aber vielleicht hat er wieder das Bundesland verwechselt.
    Grüße aus Frankreich von DunRai

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