Brasilia
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Brasilia

… „die Stadt vom Reißbrett“ ist das, was wir alle darüber in der Schule gelernt haben. Nun waren wir endlich dort und konnten uns selber ein Bild machen – ein Faktencheck.

Zunächst wissen wir als ausgebildete Architekten, dass natürlich jede Stadt im Allgemeinen „vom Reißbrett“ kommt, im Besonderen weiß ich das wiederum, weil ich schon 1993 im Studienfach „Städtebau“ mein Diplom abgelegt habe und insofern hier qualifiziert berichten kann.

Wir haben lange gezögert überhaupt in die Stadt zu fahren, weil vor etwa zwei Wochen hier die Anhänger eines abgewählten Präsidenten durch die Stadt gezogen sind und insbesondere die Regierungsgebäude übel zugerichtet haben. Die Bilder gingen ja um die Welt. Kurz vor Brasilia haben wir uns dann nochmals versichert, dass die Stadt auch von uns besucht werden kann. Bei der Vorbereitung sind wir über ein von Oscar Niemeyer geplantes Hotel gestolpert, das nach dem Präsidentenpalast als zweites Gebäude der Stadt 1958 fertig gestellt wurde. Es diente damals als Unterkunft für Staatsgäste und Besucher des Projekts „Brasilia“. Das nehmen wir für drei Nächte.

Ansonsten ist das Besuchsprogramm etwas eingeschränkt, da die zerstörten Regierungsgebäude natürlich nicht besichtigt werden können und viel Polizei und Militär die Fotoidylle stören. Das machen wir kurz, gehört aber eben auch zu unseren Eindrücken.

Zur Stadt selbst gibt es von uns, über die sonst verfügbaren Informationen (hier und hier) hinaus, nur zu sagen: was hier in Beton gegossen wurde ist beeindruckend. Das Trio aus dem damaligen Präsidenten Brasiliens Juscelino Kubitschek, dem Stadtplaner Lúcio Costa, sowie Oscar Niemeyer als Chef des staatlichen Bauamts und Architekt der meisten öffentlichen Gebäude, hat ganze Arbeit geleistet und auch nach über 60 Jahren wirkt hier nichts aus der Zeit gefallen – klassische Moderne eben. Wir kennen keine zweite Stadt mit so viel Grün, herausragender Architektur und funktionierender Infrastruktur. So geht es uns. Natürlich ist die Stadt umstritten, aber Oscar Niemeyer wiederholte immer wieder: „Sie können die Stadt mögen oder nicht, aber Sie werden nicht behaupten können, so etwas schon mal gesehen zu haben.“ – so ist es!

Was es etwas schwierig macht, ist die Größe in Verbindung mit dem Fokus in dieser riesigen Stadt den Autoverkehr reibungslos zu organisieren. Es ist schließlich gelungen den gesamten Verkehr kreuzungslos fließen zu lassen, was bis heute tadellos funktioniert: keine lästigen Fußgängerampeln, keine Popup- oder sonstigen Fahrradspuren, jede Kreuzung ein Autobahnkreuz in Kleeblatt-Form, keine Fahrbahn unter drei, meistens 6, Fahrspuren. Hier kommt man zügig voran, es gibt keine Staus in der Stadt, ein Autofahrer-Paradies. Wer schon mal als Fußgänger versucht hat über das Offenbacher- oder Hermsdorfer Kreuz zu wandern, weiß warum ich mich in Brasilia geweigert habe irgendetwas zu Fuß zu erledigen: es geht nicht oder ist lebensgefährlich! Achtung: nach mehreren Sprints über Verbindungsrampen, Bocksprünge über Leitplanken oder längeren Spaziergängen in sengender Hitze auf Standstreifen war auch Dunja davon überzeugt, dass das nun mal so geplant wurde: hier läuft man nicht!

Der Pilot-Plan Brasilias: ein Flugzeug! Jede Kreuzung ist ein Autobahnkreuz bzw. zwei!

2 Kommentare

  1. Heide

    Wow, was für eine Stadt.Was für Bilder. Was für ein Kontrast zu La Rinconada. Kein Müll, bewachte Trümmer von Ausschreitungen, Keine Mücken, Schlangen, Spinnen, Krokodile, nichts was kreucht und fleucht. Beeindruckende Architektur, wunderbare Kirchen, freie Fahrt für freie Bürger. Wir haben natürlich nachgegoogelt. Was für ein Architekt. Klar, dass Ihr das geniessen wolltet. Endlich Urlaub.
    Wir freuen uns mit Euch.

  2. Endlich hat es die Internetverbindung hier in Argentinien erlaubt, euren genialen Beitrag zu lesen. Was uns besonders beeindruckt, ains die Fotos der Architektur und das Verkehrsnetz. Die Stassen ohne Ampeln sind ja der Hammer. Und dass es funktioniert.
    Uns erinnert die Stadt an Canberra, die Hauptstadt Australiens. Da werdet ihr ja bestimmt auch irgendwann hinkommen.
    Liebe Grüsse und feste Umarmung von den Swiss Nomads

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