Death Road(s) – Bolivien
Death Road(s) – Bolivien

Death Road(s) – Bolivien

Unser Neustart in Sucre beginnt wieder mal mit dem Ritual, das für uns ein ständiger Begleiter ist, und das schon seit wir uns dafür entschieden haben loszuziehen: es ist das was immer mitreist, ein downside bei aller Faszination an der Obdachlosigkeit: Abschied nehmen!

Unsere Gastfamilie unternimmt alles um es uns noch schwerer als sonst zu machen und wir müssen wieder Platz machen im Langzeitgedächtnis für etwas unvergessliches! Während wir glauben dankbar dafür zu sein, dass man uns im Lockdown ein Dach über dem Kopf gegeben hat und sich ein Jahr liebevoll um unseren Obelix und um allen möglichen administrativen Kram in Bolivien gekümmert hat, versucht man uns zu erklären, dass das unter Freunden selbstverständlich ist. Demut ist das was wir im Hinterstübchen mit abspeichern.


Nächster Halt: Cochabamba. Es gibt für die knapp 350 km einen schnellen Weg als Tagesetappe oder – für uns – die „kurze“ Version: 300 km durch die Berge, dafür brauchen wir 3 Tage! Das liegt nicht, wie man vermuten könnte, am Fahrstil. Es geht wieder hoch hinauf, es ist steil, eng, kurvenreich und begleitet von übelstem Gerappel auf hartem, felsigen Geläuf. Ein mehrtägiger Trip im 1. und 2. Gang und unter erschwerten Bedingungen jeweils auf, und: auf dem richtigen Pfad zu bleiben. Das Navi fordert uns zwei Tage lang auf umzudrehen, Dunja arbeitet am Limit der verfügbaren Systeme. Wenn wir mal einen Blick über die nächsten 5 m hinaus riskieren, sehen wir weit und breit: nichts, außer Berge.

Cochabamba empfängt uns mit dem Sonntags-Markt, wir folgen dem Navi direkt hinein und brauchen 2 Stunden um wieder hinaus zu finden. Als Empfehlung haben wir die Adresse eines Architekten bekommen, der seinen Garten für Reisende zur Verfügung stellt – was für ein inspirierendes Paradies für die nächsten Tage! Die vergehen wie im Flug. Wir besuchen Matthias und Marlene, die beiden haben vor 2 Jahren das Wunder vollbracht den Containertransport für Obelix von Bolivien nach Deutschland zu organisieren. Ein Höllenritt durch die bolivianische Bürokratie über 6 Monate! Wir sind zwei Tage dort zu Gast, und steigen in einer technisch voll ausgerüsteten Küche in die Wurstproduktion ein: Münchner Weißwürste selbst gemacht. Vom durchputzen des meterlangen Schweinedarm bis zum „kuttern“ der Fleischmasse: behind the scenes statt einfach an der Fleisch-Theke zu bestellen ist nicht jedermanns Sache aber sehr lehrreich. Danke ihr beiden für das was ihr für uns gemacht habt und für eure Gastfreundschaft!!

Im Garten des Architekten sind inzwischen Myriam und David aus Luxemburg angekommen. Wir verabreden uns, den Trip von Cochabamba nach LaPaz gemeinsam zu fahren und wieder entscheiden wir uns gegen die Komfort-Variante: wir wollen uns über die Ruta 25 dorthin durchschlagen. Vorher heißt es wieder: Abschied nehmen. Von Cochabamba, Matthias und Marlene und Javier und seiner Familie die uns 8 Tage perfekte Gastgeber waren.

Wir packen die Autos voll mit Sprit, Wasser und Lebensmitteln, die nächsten 5 Tage gibt es voraussichtlich nichts davon. Was es gibt ist eine wilde Achterbahnfahrt abwechselnd zwischen etwa 4.700 m und 1.000 m üNN. Es wird nun langsam tropischer in Richtung Norden. Vorteil: es wird wärmer, Nachteil: zum Ersten Mal gibt es wieder Stechmücken der übelsten Sorte. Die Tage verbringen wir im Cockpit, die Nächte an traumhaften Plätzen – Stichwort: Tausend-Sterne-Hotel. Wir verlängern auf 6 Tage und entscheiden uns die letzte Etappe nach LaPaz über die berühmte „Straße des Todes“ (Wiki) bei Sonnenaufgang zu starten. Die einst legendäre Straße ist heute deutlich entspannter zu befahren, da der Verkehr inzwischen über eine Neubaustrecke fließt. Wir finden: es gab schon spannendere und gefährlichere Wege für uns in Bolivien, aber nicht so grüne. Und: der Lift von 1.200 m auf über 4.700 m üNN hat es auch in sich, Dunja hat sich vorsorglich die Backen mit Coca-Blättern vollgepackt. Sie hatte ohnehin schlecht geschlafen, weil David und ich uns am Vorabend mit allerlei Vorwissen zum Straßenverlauf in Stimmung gebracht hatten.

Zu LaPaz gibt es wenig zu erzählen, was annähernd das beschreiben kann was der Sache gerecht wird. Diese Stadt ist gewaltig, unfassbar groß und undurchdringlich. Es ist ein Dschungel. Wir folgen einer Empfehlung und lernen Gert aus Deutschland kennen, der seit 40 Jahren hier lebt. Er bringt uns heil durch das Gewirr aus Straßen, Gassen und Treppen und auch heil wieder raus. Wir nutzen eifrig die Drahtseilbahnen, die ein Segen für die Stadt sind. Unten staut sich alles oder ist für uns (mich) konditionell nicht leistbar, es gibt in dieser Stadt nicht eine horizontal verlaufende Straße und in dem Mief aus offenen Abflüssen qualmenden Autos, Bussen und Lastwagen macht es auch keinen Spaß eine Stadt auf 4.000 m über dem Meer hyperventilierend zu erkunden. Wir schlendern lieber über die unzähligen Märkte und bewundern die umfangreiche Auswahl an Schamanen-Zubehör. Falls jemand was braucht, bitte melden. Eine kleine Bilderauswahl:

Wie geht es weiter? Wir müssen uns noch einig werden, von LaPaz gibt es zahlreiche Optionen über die wir uns noch nicht einig sind, weil nichts davon eine vernünftige Route ergibt und alles wieder hier endet. Wir bleiben erst mal noch ein paar Tage.

6 Kommentare

  1. Heide

    Hallo, Ihr Lieben,
    mal wieder Gänsehaut pur und Achterbahn der Gefühle.
    Danke, dass wir alles so einprägsam miterleben und uns mit Euch über wunderbare Begegnungen und überstandene Strapazen freuen können.
    Weiterhin Glück auf allen Wegen und liebe Grüße von Heide

  2. Hallo Ihr Zwei! Toller Bericht, beeindruckende Bilder. Fühle mich wieder einmal direkt mitgenommen auf Eure Reise. Nur bequem von Zuhause und auf der Couch liegend.

    Mmh, irgendwie ist das nicht dasselbe :-(. Aber besser als überhaupt nichts von der Welt zu erfahren.

    Wir wünschen Euch noch viele schöne Erlebnisse und sind auf den nächsten Bericht gespannt. Lieben Gruß und habt immer ein Stück Erde unter den Reifen, WuM

  3. Barbara

    meine Erinnerungen werden geweckt: Der tägliche Weg zur Schule, die langen Sommerferien (November, Dezember, Januar), die meine Eltern mit uns zu ausgedehnten Rundreisen mit dem zum Campingbus ausgebauten Hanomag nutzten (wir haben zu sechst dadrin geschlafen), meine Konfirmation in der Ev. Lutherischen Kirche in der Calle Rosendo Gutierres Esquina Sanchez Lima, die „fiesta de quince“ , meine erste Zigarette, meine deutsch-stämmige Freundin, die vielen Erkundungen im nahen Umland, am Schluss 1977 der finale Abschied am Flughafen El Alto – „viva mi patria bolivia“
    muchas aventuras mas, Dunja y Rainer…

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